Wirtschaftliche Entwicklung in Afrika

Corona verändert die weltweiten Märkte – Chancen und Risiken für Unternehmen in Afrika

Natürlich sind auch in Afrika tätige Unternehmen von den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen. Aber wenn sie richtig damit umgehen, können daraus neue Chancen auf dem Kontinent erwachsen. Insights sprach mit Christian Toben, Regional Head Afrika bei der Commerzbank, wie Unternehmen diese Zukunftsperspektive nutzen – während der aktuellen Krise und danach.

Commerzbank Insights: Werden die Erfahrungen, die Afrika in der Vergangenheit bei der Bewältigung von Krisen gemacht hat, dem Kontinent in der aktuellen Situation helfen?

Christian Toben, Regional Head Financial Institutions Africa
Christian Toben, Regional Head Financial Institutions Africa

Christian Toben: Es stimmt, dass Krisen in Afrika keine Seltenheit sind. Die Dynamik der Volkswirtschaften in der Region und ihre Erfahrungen im Umgang mit solchen Herausforderungen haben in der Frühphase der Corona-Pandemie sicherlich geholfen, trotz begrenzter Ressourcen. So haben viele Regierungen entschieden Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung des Virus einzudämmen – einige von ihnen sogar früher als besonders heftig betroffene Länder in anderen Regionen.

Doch angesichts der hohen Bevölkerungsdichte, der fragilen Sozialsysteme und der unzureichenden Infrastruktur im öffentlichen Gesundheitswesen bleibt die Unsicherheit, wie sich die Pandemie auf dem Kontinent weiter entwickelt – und welche wirtschaftlichen Auswirkungen sie nach sich zieht. Corona hat sich in Afrika bisher eher langsam ausgebreitet. Jetzt aber, in einem fortgeschrittenen Stadium, müssen die Regierungen in der Region einen Balanceakt vollziehen zwischen dem Schutz der Gesundheit ihrer Bürger einerseits und der Begrenzung des längerfristigen wirtschaftlichen Schadens andererseits. Dabei darf man nicht vergessen, dass sich Infektionskrankheiten wie Ebola, Malaria und Tuberkulose in einer wachsenden afrikanischen Bevölkerung wieder ausbreiten können, wenn keine finanziellen Mittel für Gesundheitskampagnen und Behandlungen zur Verfügung stehen.

Commerzbank Insights: Wie schnell wird sich der Kontinent wirtschaftlich erholen?

Christian Toben: Das hängt nicht zuletzt vom weltweiten Verlauf der Pandemie ab. Aber es kommt auch auf Afrika selbst an: Wie passt sich den Kontinent an das veränderte Umfeld nach der Krise an? Kann er die Chancen nutzen, die sich jetzt neu ergeben?

Ein Beispiel für eine dieser Chancen: Es wird interessant sein zu sehen, wie sehr europäische Unternehmen ihre Lieferketten diversifizieren und künftig „Near Shoring“-Strategien bevorzugen. Viele haben bereits damit begonnen, ihre Abhängigkeit von chinesischen Lieferanten zu begrenzen. Afrika, das seine Fertigungskapazitäten in den letzten Jahren erheblich erweitert hat, könnte als die neue „Werkbank“ der Welt für Produkte des unteren bis mittleren Marktsegments die Rolle übernehmen, die früher China innehatte. Vieles spricht aus Sicht europäischer Unternehmen dafür: Afrika und Europa liegen in denselben Zeitzonen und auch geografisch näher beieinander, sodass Versandzeiten und -kosten deutlich günstiger sind.

Die Verfügbarkeit von Fremdwährungen bleibt allerdings ein limitierender Faktor für das Wachstum – nach Corona sogar in weit größerem Umfang: Afrikas Zentralbanken müssen ihre letzten Reserven angreifen, um die Geldpolitik zu finanzieren und die Volkswirtschaften über Wasser zu halten. Auch hier gibt es Unsicherheiten: Die Dauer der Krise wird darüber entscheiden, welche Länder besser abschneiden als andere. Eines ist sicher: Der Zugang zu Devisen und die Konvertibilität der Währungen müssen verbessert werden, um die wirtschaftliche Erholung zu beschleunigen und die Finanzplanung für Investoren zu erleichtern.

Commerzbank Insights: Wie könnte der innerafrikanische Handel zur Erholung des Kontinents beitragen?

Christian Toben: Die Handelsbeziehungen zwischen den Ländern Afrikas werden eine große Rolle spielen. Um sie zu fördern, wurden bereits einige Initiativen gestartet. Die panafrikanische Freihandelszone (African Continental Free Trade Area, kurz AfCFTA) etwa schafft 90 Prozent der Zölle für den grenzüberschreitenden Handel ab. Sie wird die regionale Integration vertiefen und dem Handel nach der Krise neue Impulse geben. Auch wenn im April dieses Jahres beschlossen wurde, die Etablierung der AfCFTA um ein Jahr auf 2021 zu verschieben: Das Abkommen ist nicht die einzige Initiative zur Erleichterung der Handelsströme auf dem Kontinent. Dazu gehören insbesondere zahlreiche kleinere Freihandelszonen und Freihäfen, die für den Warenaustausch innerhalb Afrikas sowie mit anderen Kontinenten sehr wichtig sind. Nicht auszuschließen ist allerdings, dass einige Länder versuchen werden, die Umsetzung der AfCFTA zu verzögern, um sich erst einmal mithilfe protektionistischer Maßnahmen von der Krise zu erholen.

Eine weitere ermutigende Initiative ist das panafrikanische Zahlungs- und Abwicklungssystem (Pan-African Payment and Settlement System, kurz PAPSS) der African Export-Import Bank (Afreximbank). Es zielt darauf ab, die Abhängigkeit des Kontinents von harten Währungen im Handel zu verringern. 2019 eingeführt, bietet PAPSS eine digitale Plattform für Clearing und Settlement innerafrikanischer Handelstransaktionen in der jeweiligen Landeswährung. Auch damit soll das Volumen des Handels auf dem Kontinent gesteigert werden. Denn schnelle und verlässliche Transaktionen verbessern die Rahmenbedingungen und Zukunftsperspektiven für Unternehmen.

Commerzbank Insights: Welche weiteren langfristigen Vorteile könnten aus der aktuellen Situation entstehen?

Christian Toben: Auf lange Sicht wird die Digitalisierung zusätzlichen Schub bekommen. So dürften technologieintensive Unternehmen am besten mit der Krise zurechtkommen. Noch weitgehend papierbasierte Branchen und Prozesse wie die Handelsfinanzierung hingegen spüren in ihrem Umfeld einen hohen Anpassungsdruck. Afrika hat bereits begonnen, sein digitales Potenzial auszuschöpfen. Viele Länder, die veraltete Infrastrukturen modernisierten, können jetzt neue Technologien schneller und effektiver implementieren. Länder wie Kenia, Ruanda und Mauritius machen bedeutende Fortschritte in der Informationstechnologie. Es bleibt zu hoffen, dass Afrika die Krise als zusätzlichen Anlass nutzt, um seine Digitalisierung weiter auszubauen.

Commerzbank Insights: Wie haben sich die Risiken für Unternehmen in Afrika verändert? Wann rechnen Sie mit einem Rückgang der Volatilität?

Christian Toben: Die Volatilität wird sich kurz- und mittelfristig kaum verändern, sodass ein entsprechendes Risikomanagement unverzichtbar bleibt. Selbst so entwickelte Märkte wie Südafrika zeigten in den letzten Monaten extreme Schwankungen. Corona hat diese Entwicklung noch beschleunigt. Aber das schnelle Auf und Ab ist für Unternehmen in Afrika nichts Neues, sie haben ihre Businesspläne und Geschäftsmodelle immer schon darauf ausgelegt.

Eine unserer größten Sorgen betrifft mögliche Umschuldungen zulasten privater Gläubiger. Das könnte Investoren und Kreditgeber aus dem Ausland abschrecken. Deshalb sind die Regierungen auf dem Kontinent gut beraten, wenn sie solche Überlegungen mit Vorsicht angehen und die längerfristigen negativen Auswirkungen auf die Kreditwürdigkeit gegen kurzfristige Vorteile abwägen.

Commerzbank Insights: Wie unterstützt die Commerzbank ihre Firmenkunden in der Region?

Christian Toben: Das Engagement der Commerzbank in Afrika bleibt trotz aller Herausforderungen konstant hoch. Wir haben während der globalen Finanzkrise keine unserer Repräsentanzen in der Region geschlossen, und einen solchen Schritt planen wir auch heute nicht. Unser Netzwerk an Partnerbanken gehört zu den robustesten in Afrika. Firmenkunden können sich auch weiterhin auf unsere volle Unterstützung verlassen. Aktuell kommt ein besonderer Aspekt hinzu: Wir wollen dazu beitragen, dass Unternehmen die Chancen erkennen und ergreifen, die sich gerade in dieser turbulenten Zeit ergeben.

Commerzbank Insights: Es gibt also Licht am Ende des Tunnels?

Christian Toben: Auf jeden Fall. Wieder einmal steht Afrika vor einer großen Herausforderung. Aber wir gehen davon aus, dass der Kontinent ein chancenreicher Markt bleibt – ein Ort, an dem Unternehmen Wachstum und attraktive Margen finden.

Zweifellos wird das Interesse an Afrika aus dem Ausland zunehmen, sobald sich beispielsweise Asien, aber auch Europa wieder verstärkt international orientieren. Afrikas Regierungen können das zu ihrem Vorteil nutzen, indem sie Kapitalzuflüsse zur weiteren Verbesserung der politischen und wirtschaftlichen Systeme sowie der Infrastruktur einsetzen. Für Unternehmen heißt die Devise: Vorsicht walten lassen, ihre Stärken ausspielen und Risiken effektiv managen. Dann gibt es keinen Grund, warum sie Afrika nicht als wichtigen Markt für ihre wirtschaftliche Wachstumsstrategie nach dem Corona-Tief nutzen und ihre Lieferketten nicht breiter diversifizieren sollten.